Sinniert man über den perfekten Ort, an dem Kinder sorglos aufwachsen und den ganzen Tag an der frischen Luft herumtollen können, denkt man unweigerlich an Lindgrens Bullerbü und Lönneberga. Die wenigsten Kinder jedoch wachsen so, geschweigen denn überhaupt auf dem Land auf. Immer mehr Menschen und damit auch Kinder leben in der Stadt. Doch wie kinderfreundlich sind eigentlich urbane Räume? Und: Wie geht kindgerechte Stadtplanung?

Text: Anja Koller

Schauen wir uns doch einmal in unseren Städten um. Für wen hat man sie eigentlich geplant und gebaut? Im vergangenen Jahr beschäftigte sich etwa die Zeit online mit dem Phänomen der männlichen Stadt. Viele Städte seien von Männern für ihre Bedürfnisse gebaut, skandierte damals die Autorin Vanessa Vu. Das liege allein schon an der Dominanz des Autos.

Es ist evident. Ob wir nun in Berlin, Paris oder Rom unterwegs sind: Frauen, Ältere, Menschen mit Handicap und Kinder – für sie alle sind urbane Räume voller Stolpersteine und Hindernisse. Seien es Treppen, an denen Rollstuhlfahrer scheitern, dunkle, schmale Gassen, die Angstzustände auslösen, enge Durchgänge, die dem Kinderwagen keine Chance lassen sowie ein Zuviel an Verkehr und ein Zuwenig an Grün, um direkt vor der Haustür zu spielen. All das lässt nur eine Schlussfolgerung zu: Wir brauchen eine inklusivere Stadt, eine Stadt für alle. Besonders Kinder brauchen dabei eine Lobby, denn sie sind es, die die Gesellschaft von morgen ausmachen. Sie benötigen Freiräume, Spielräume, Grünräume, um sich zu entfalten.

Die Frage ist: Wie schafft man kinderfreundliche Städte, kindgerechte öffentliche Räume? Die Stadtplanerin und Autorin Ruth Esther Gilmore benennt vier essentielle Elemente einer Stadtgestaltung für und mit Kindern: Das sind Wasser, Bäume, Beteiligung und Mobilität. Auf der Website des Bundesverbands für Freiraum-Gestaltung meldet sie sich mit einem Plädoyer zu Wort: „Kinderfreundlichkeit in der Stadtplanung heißt, durch gezielte Eingriffe ein bestehendes städtisches Gefüge so zu verändern, dass die Stadt für Kinder reizvoller, im Alltag sicherer und lebendiger wird, und dass bei der Umweltgestaltung auf kindergerechte Rahmenbedingungen geachtet wird. Also ist Kinderfreundlichkeit in der Stadtplanung jeder Prozess, jedes Konzept oder jede Planung, die dazu beiträgt, dass Kinder ihre Städte gefahrlos und abwechslungsreich alleine, im Familien- oder Freundeskreis erleben und erobern können. Dabei wird ihre eigenständige Mobilität, Selbständigkeit, Orientierung und Kreativität unterstützt und gefordert“, so Gilmore.

Dass Städte, Kommunen und die Stadtoberen selbst eine tragende Rolle in der Gestaltung der kinderfreundlichen Stadt spielen, betont auch Unicef mit der von ihr ins Leben gerufenen „Child-Friendly Cities Initiative“. Darin heißt es: Jedes Kind hat das Recht darauf, in einer Umgebung aufzuwachsen, in der es sich sicher fühlt, die ihm einen Zugang zu sauberer Luft und sauberem Wasser bietet, in der es spielen und lernen kann und in der seine Stimme gehört wird. Weltweit verpflichten sich mittlerweile über 160 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister darauf, ihre Städte kinderfreundlicher zu gestalten. Im Einzelnen bedeutet das etwa, sich gegen Diskriminierung einzusetzen, gleiche Möglichkeiten für alle Kinder zu schaffen, also Inklusion zu leben, die Belange der Kinder anzuhören und dabei in die Stadtplanung einfließen zu lassen. Nicht zu vergessen, der Aspekt der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes, der in Zeiten von Fridays for Future vor allem auch Kinder und Jugendliche aus Sorge um ihre Zukunft auf die Straßen treibt.

Die Antwort auf die Frage „Wieviel Kind steckt in der Stadt?“ kann damit eigentlich nur eine sein: Im besten Falle so viel wie möglich. Denn wenn sich Städte und Kommunen für eine kinderfreundliche Stadt engagieren, engagieren sie sich für das Wohlergehen aller. Wer für Kinder plant, plant für alle Generationen.

Bibliographie:

www.zeit.de/mobilitaet/2019-09/staedteplanung-maenner-geschlechtergerechtigkeit-berlin-bruessel-barcelona, Seite aufgerufen am 22.01.2020

www.unicef.de/kinderfreundliche-kommunen, Seite aufgerufen am 28.01.2020

www.bv-freiraumgestaltung.com/gestaltung/kinderfreundliche-stadtplanung/, Seite aufgerufen am 28.01.2020

https://childfriendlycities.org/, Seite aufgerufen am 28.01.2020